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Das Westberlin-Problem.
  
Mit der Abspaltung Westberlins hatten die Westmächte den Kontrollrat gesprengt und die Arbeit der Inter-Alliierten Kommandantur zum Erliegen gebracht. Sie errichteten in Westberlin eine separate Kommandantur (21. Dezember 1948) und unterstellten es einem "kleinen Besatzungsstatut" (14. Mai 1949), d. h., sie erhielten die militärische Besetzung in Westberlin aufrecht bis auf den heutigen Tag, mehr als 20 Jahre nach Beendigung des Krieges. Präsident Pieck und Ministerpräsident Grotewohl hatten als erste Amtshandlung Westdeutschland Verhandlungen über die Annäherung beider deutscher Staaten vorgeschlagen, als Voraussetzung zur nationalen Einheit. Diese Angebote wurden ebensowenig beachtet wie alle nachfolgenden (mehr als 150 bis heute), und ebensowenig reagierten Bürgermeister und Senat von Westberlin auf Verständigungsangebote. Im Bestreben, die guten Beziehungen zwischen den Bürgern einer Stadt nicht abreißen zu lassen, sondern zu fördern, ging die DDR bis an die äußerste Grenze des Möglichen und hielt ihre Staatsgrenze nach Westberlin offen, solange es irgend ging. Diese offene Grenze, die quer durch Berlin verlief, wurde vom Westen ausgenutzt und mißbraucht, um den Aufbau des Sozialismus in der Hauptstadt zu stören, wenn nicht unmöglich zu machen. Westberlin nahm eine entgegengesetzte, rückläufige Entwicklung als die Hauptstadt der DDR. Die alten Konzerne und das Bankkapital konnten sich hier wieder fest in den Sattel setzen. Sie bestimmten wieder, wie in früheren Zeiten, die Politik. Die herrschenden Kreise in Bonn und Westberlin führten von hier aus den kalten Krieg gegen die DDR. Das besondere Territorium Westberlin (das nie Bestandteil der Bundesrepublik war oder ist) ließ sich immer mehr an die imperialistische EWG-Politik binden und zum Stützpunkt von über 80 Agentenzentralen machen. Mit allen erdenklichen Mitteln, u. a. durch Hetzsendungen des amerikanischen Senders RIAS, Lügenmeldungen der Westberliner Presse u. a. wurde von Westberlin aus versucht, Unruhe in die Bevölkerung der Hauptstadt zu tragen, um den Bürgerkrieg vorzubereiten. Die Liquidierung der DDR hatte Bonn schon für 1953 auf die Tagesordnung gesetzt. Seit 1952 lagen konkrete Pläne für den gewaltsamen Sturz der Arbeiter-und-BauernMacht und für die Rückführung der Konzerne in Privatbesitz vor. Der Tag "X" wurde von Westberlin aus vorfristig ausgelöst, als sich die internationale Lage (mit dem Waffenstillstand in Korea) zu entspannen "drohte" und die Regierung der DDR sich zu Maßnahmen (mehr Mittel für die Erzeugung von Waren des Massenbedarfs u. a.) entschloß, um bestimmte, im Kampf um die Beseitigung der Kriegsfolgen und im Ergebnis der Wühlarbeit der westdeutschen und anderen Imperialisten entstandene Schwierigkeiten rasch zu überwinden. Am 17. Juni 1953 drangen bewaffnete Provokateure und jugendliche Rowdys - von faschistischen Agenten, auch von amerikanischen und britischen Offizieren kommandiert - in die Hauptstadt ein, demolierten staatliche und soziale Einrichtungen, legten Brände, ermordeten Volkspolizisten, provozierten Arbeitsniederlegungen und hetzten zum Mord an Partei- und Staatsfunktionären. Aber es wurde für die Drahtzieher nicht der erwartete "Sieg", sondern ein Fiasko. Die unmittelbare Folge war, daß die Berliner Arbeiter zum Schutze ihrer volkseigenen Betriebe und ihrer Republik bewaffnete Kampfgruppen bildeten, die weitere konterrevolutionäre Putschversuche verhüteten. Sie traten sechs Jahre später, am 13. August 1961, geschlossen in Aktion, um den Frieden zu sichern. 1953 hielt die DDR trotz der offenen Provokation ihre Grenzen nach Westberlin weiterhin offen in der Hoffnung, im Interesse der Westberliner Bürger doch zu einer vernünftigen Verständigung zu kommen. Nur Schilder kennzeichneten die Demarkationslinie, die von vielen Bürgern gar nicht als Grenze angesehen wurde. Jeder Westberliner konnte zu Fuß oder für 20 Pfennig Fahrgeld in die Hauptstadt unseres Staates kommen und Lokale, Theater usw. besuchen. Bei aller Wachsamkeit der Grenzpolizei und der Werktätigen ließen sich jedoch Warenschmuggel und Schwarzhandel nicht völlig verhindern, noch konnte der verbrecherischen, sich immer mehr steigernden Tätigkeit der Westberliner Untergrundorganisationen wirksam genug begegnet werden, die in der DDR und der Hauptstadt Wirtschaftsspionage betrieben, Fachkräfte (Ingenieure, Ärzte, Wissenschaftler, aber auch Bauarbeiter, Buchdrucker usw.) abwarben und weder vor Brandstiftungen noch Menschenraub und Mord zurückschreckten. Allein der materielle Schaden, der der DDR zugefügt wurde, belief sich auf etwa 30 Milliarden MDN, die dem Aufbau entzogen wurden. Im Sommer 1961 beschwor die Abenteurerpolitik der Bonner Kriegstreiber und NATO-Politiker eine höchst gefährliche Situation in Europa herauf. Die Regierung der UdSSR sprach am 7. August eine ernste Warnung aus. Der Regierung der DDR lagen militärische Angriffspläne gegen sie und die sozialistischen Nachbarländer vor. Das wäre der dritte Weltkrieg gewesen. Überraschend besetzten im Morgengrauen des 13. August Einheiten der Nationalen Volksarmee, der Volkspolizei und der Kampfgruppen die Grenze der Republik in Berlin. Und um jedem Aggressor deutlich vor Augen zu führen, daß es sich auch in Berlin um die Staatsgrenze eines souveränen Staates handelt, die nach Völkerrecht zu respektieren ist, haben die Berliner Arbeiter sie gut kenntlich gemacht. Der antifaschistische Schutzwall setzte den Plänen der Ultras ein jähes Ende. Aufgegeben haben sie ihre Revanchepläne noch nicht. Wiederholt ließen ihre Geheimorganisationen mit Billigung des Senats und der Besatzungsmächte die Staatsgrenze auf "weiche" Stellen abtasten: durch Anlage von Spionagetunneln, Bombenattentaten und Grenzprovokationen zu Lande wie auf den Berliner Gewässern. Nur die hohe Disziplin der Soldaten und Offiziere, die sich mit ihrem Leben für den Schutz der Staatsgrenze einsetzen, verhinderte die Ausweitung solcher "Zwischenfälle", mit denen die Verfechter eines "verdeckten Krieges" vom Westberliner Territorium aus jede Entspannung zu hintertreiben suchen. Die Armee des Volkes steht unbeirrt auf Wacht für den europäischen Frieden und mit ihr die der verbündeten Länder. Es war nicht die Absicht der DDR, die Westberliner Bürger vom Besuch der Hauptstadt auszuschließen. Das verdanken sie ihrem Senat, der die Passierscheinstellen, die die DDR sofort auf Westberliner S-Bahnhöfen einrichteten, mit Polizeigewalt schließen ließ. Mehr als einmal haben die Regierungen der DDR, der UdSSR und Volkspolens Vorschläge zur friedlichen Lösung der Westberlinfrage gemacht. Voraussetzung ist allerdings, daß Westberlin zu einer wirklich Freien Stadt wird, d. h. sich von der Bonner NATO-Politik löst, die Souveränität der DDR achtet und sich nicht länger als Stützpunkt der Revanchisten mißbrauchen läßt. Nach dem Willen der Imperialisten soll Westberlin weiterhin "Pfahl im Fleische der DDR" bleiben. Doch die meisten Westberliner sind für Frieden und Entspannung und für Verhandeln mit der DDR. Das zeigte sich, als auf Initiative der DDR nach langwierigen Verhandlungen endlich am 17. Dezember 1963 das erste Passierscheinabkommen mit dem Senat zustande kam, das den Westberliner Bürgern den Besuch ihrer Angehörigen in der Hauptstadt während der Festtage ermöglichte. Dieses erste und alle weiteren Passierscheinabkommen (auch für das Jahr 1966) sind ein Sieg der Friedenskräfte und eine gute Ausgangsbasis für weiter gehende Verhandlungen; die Westberliner konnten gegenüber allen Bonner Störversuchen ein Stück Selbstbestimmungsrecht durchsetzen. Wieweit allerdings die Ordnung an der Staatsgrenze nach Westberlin streng oder großzügiger gehandhabt werden kann, hängt einzig und allein von der Westberliner Bevölkerung selbst ab: inwieweit es den fortschrittlichen Kräften gelingt, demokratische Maßnahmen in Westberlin durchzusetzen, eine eigene deutsche Politik des Friedens, der Entspannung und Verständigung zu betreiben und provokatorische Störungen gegen die DDR zu unterbinden.
Die weitere Entwicklung der Hauptstadt der DDR.
Die Sicherung der Grenze nach Westberlin brachte sofort eine spürbare Erleichterung auf allen Gebieten und einen großen Schwung in das Aufbautempo. Die Arbeiter riefen zu einem Produktionsaufgebot und zu Wettbewerben auf, um die Wirtschaftspläne vor dem Termin zu erfüllen. Auch in den Aufbau des Stadtzentrums kam neuer Elan. In wenigen Monaten wurden die zehngeschossigen Wohnblocks im neuen Abschnitt der Karl-Marx-Allee (zwischen Alexanderplatz und Strausberger Platz) und längs der neuangelegten Alexanderstraße fertiggestellt, neue S-Bahnstrecken und Schnellverkehrsstraßen gebaut, mit der Erweiterung des Zentralflughafens der INTERFLUG in Schönefeld begonnen und der Bau weiterer großer Wohnviertel in industrieller Bauweise energisch fortgesetzt. Das außenpolitische Ansehen der DDR wuchs. Weitere nichtimperialistische Staaten richteten diplomatische und Handelsvertretungen in der Hauptstadt ein. Viele Staatsoberhäupter kamen zu Gast. Der Touristenstrom aus allen Ländern nimmt von Jahr zu Jahr zu. Das neue Berlin ist ein Anziehungspunkt, eine "Sehenswürdigkeit", geworden. Eine Stadtrundfahrt durch die Hauptstadt und ein Spaziergang durch das Stadtzentrum werden mehr überzeugen, als es Worte können, wieviel in wenigen Jahren geleistet worden ist. Vor allem aber darf jeder Besucher gewiß sein, daß er in die Hauptstadt eines Staates kommt, der die schlimme deutsche Vergangenheit nicht nur "bewältigt" hat, sondern dafür sorgt, daß sie auf seinem Boden nie wieder hochkommen kann - eines Staates, dessen Anstrengungen auf die Erhaltung des Friedens und eines friedlichen Lebens seiner Bevölkerung in Wohlstand und Sicherheit gerichtet sind.
  
Quelle / Source:

Brockhaus Stadtführer Berlin Hauptstadt der DDR
VEB F. A. Brockhaus Verlag Leipzig
1. Auflage, 1966
(Seiten / pages 35-39, East German book from 1966)
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